Werkführung durch Papierfabrik Palm: "Schachteln sind ein riesiger Markt"
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Wertschöpfungsketten, Kreislaufwirtschaft, Effizienz, Nachhaltigkeit, Marketingstrategien: All das sind Begriffe, die im Leistungsfach Wirtschaft immer wieder behandelt und diskutiert werden. Aber nur im Klassenzimmer und: rein theoretisch. Wie aber sieht die Praxis aus? Allein die Zahlen der Papierfabrik zeigen gewaltige Dimensionen: 750000 Tonnen Wellpappenrohpapier werden in Wörth jährlich hergestellt. Und das ist nur knapp ein Drittel dessen, was die Palm Gruppe an Papier – grafische Papiere, wie Zeitungspapier, und Wellpappenrohpapier für Verpackungen – insgesamt produziert. Fünf Papierfabriken führt das Unternehmen, dessen Zentrale im oberschwäbischen Aalen seinen Sitz hat, in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich. Darüber hinaus aber stellt Palm nicht nur Papier her, es besitzt auch 29 Werke in Deutschland und anderen europäischen Ländern, in denen mittels des Rohpapiers Wellpappe oder fertige Verpackungen hergestellt werden. Und schließlich gehören zur Palm Gruppe noch zwei Recyclingwerke in Deutschland und UK, wo das Altpapier von der kommunalen und gewerblichen Abfallwirtschaft gekauft, sortiert und in die Papierfabriken transportiert wird. Denn Wellpappenrohpapier und grafische Papiere werden zu 100 Prozent aus Altpapier hergestellt.
Begrüßt und in zwei kleinen Gruppen durch das Wörther Werk geführt wurde der Leistungskurs Wirtschaft von Werksleiter Josua Leonhardt und Betriebsleiter Dr. Bernhard Wirth. 2 Milliarden Euro Umsatz hat Palm im Jahr 2023 erwirtschaftet – mit 4200 Mitarbeitenden. Das erfuhren die Schülerinnen und Schüler, bevor sie mit Westen und Schutzbrille ausgestattet durch die Hallen und über das Gelände geführt wurden. Natürlich hätten die Wirtschaftsabiturienten sehr gerne gewusst, welche Umsatzrendite, also welcher Gewinn dem Unternehmen von den 2 Mrd Euro bleiben. Das aber konnten oder wollten der Werksleiter und der Betriebsleiter nicht sagen. Aber es gab weitere, ungemein interessante Informationen: So werde Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Palm großgeschrieben. Bestes Beispiel hierfür sei das fabrikeigene Kraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung in Wörth. Verbrannt werden dort Fremdstoffe, die sich im Altpapier befinden und die nicht für die Papierproduktion genutzt werden können. Sie werden täglich über LKWs aus den Recycling-Werken an den Standort Wörth gebracht oder vor Ort aus dem Altpapier herausgefiltert. Da die Papierindustrie zu den energieintensiven Branchen gehört und der Industriestrompreis extrem volatil ist, eigne sich das Kraftwerk für eine nachhaltige und günstige Energieversorgung hervorragend. Auch das Wellpappenrohpapier selbst sei im Vergleich zu Plastik als Verpackungsmaterial „super nachhaltig“, so Josua Leonhardt. Bis zu 20-mal könne eine Papierfaser recycliert und zu neuem Papier verarbeitet werden, bevor sie dann zu kurz und spröde werde. Ebenfalls enorm spannend: Während die Nachfrage nach grafischen Papieren, bei Palm vor allem Zeitungspapier und Papier für Werbebroschüren, stetig nachlässt, steigt die Nachfrage nach Wellpappe. „Schachteln sind ein riesiger Markt“, so der Werksleiter.
Und so konnten die Schülerinnen und Schüler den Prozess vom wässrigen Altpapier-Faserbrei über die Pressung und Verdichtung, die Heiß- und Trockenzylinder bis hin zum Aufrollen des fertigen Wellpappenrohpapiers in den riesigen Werkshallen mit den gewaltigen und schnellen Maschinen hautnah verfolgen. Im Papierlager ragen die fertigen Rollen, die jeweils zwischen zwei und drei Tonnen wiegen, 14 Meter in die Höhe – ein faszinierender Anblick. Überhaupt sind Superlative in der Papierproduktion gang und gäbe. „Papiermaschinen sind die größten Maschinen, die Menschen überhaupt bauen“, so Josua Leonhardt. Sie sind zwischen 10 und 12 Meter hoch und 200 Meter lang. „Mit ihrem Stahl könnte man zwei bis drei Eiffeltürme bauen“, so der Werksleiter. 60 Prozent des in Wörth hergestellten Papiers wird übrigens in eigene Werke der Palm-Gruppe zur Herstellung von Wellpappe und Kartonagen geliefert, so Bernhard Wirth. Was den Leistungskurs Wirtschaft natürlich auch interessiert, sind die Berufe und die Möglichkeiten von Praktika in der Papierproduktion. In Wörth seien es keine Berufe und Praktika im betriebswirtschaftlichen Bereich – das gebe es in der Zentrale in Aalen, so Leonhardt. Studierte Maschinenbauer und Verfahrenstechniker arbeiten in Wörth, außerdem gibt es dort die Ausbildungsberufe der Papiertechnologen, Industriemechaniker und Elektroniker. Wer aber räumlich flexibel ist und sich für die Papierproduktion interessiert, kann bei der Palm-Gruppe in verschiedene Bereichen reinschnuppern oder beruflich einsteigen. Denn, so Bernhard Wirth: „Wir decken die komplette Wertschöpfungskette ab." (mh)



