Zum Hauptinhalt springen

Strombasierte Kraftstoffe: Gesellschaft sollte Kosten akzeptieren

Das Foto zeigt den vollbesetzten Studiensaal während des Vortrags zum Grünen Wasserstoff.

Der Leiter des Instituts für Mikroverfahrenstechnik am KIT machte deutlich: Allein die ökonomischen Auswirkungen von Extremwetterereignissen, Hitze und Biodiversitätsverlusten seien jetzt schon gewaltig. „Viele reden von dem hohen Preis der Energiewende“, erklärte er. „Sich nicht darum zu kümmern, wird aber noch viel teurer“. Und sein Fazit ist deutlich: „Die Welt steuert auf 3 Grad Erderwärmung zu“, warnte er. „Wir müssen handeln“.

„Grüner Wasserstoff – die Energiequelle der Zukunft?“ lautete der Titel des jüngsten Vortrags der Reihe „Uni macht Schule“ am Gymnasium Neureut. Wieder waren sehr viele Schülerinnen und Schüler der Oberstufe in den Studiensaal gekommen, um einen Einblick in die Herstellung, die Nutzung und den Nutzen von grünem Wasserstoff und weiteren strombasierten Kraftstoffen und Chemieprodukten zu gewinnen. 

In seinem kurzweiligen und interessanten Vortrag gab er einerseits einen Überblick über die Anwendungen und Produkte von Power-to-X. Darunter versteht man alle Verfahren, die grünen Strom, also Strom aus regenerativen Energien, in chemische Energieträger zur Stromspeicherung, in strombasierte Kraftstoffe oder Rohstoffe für die Chemieindustrie umwandeln. Dies geschieht durch Elektrolyse, also der Aufspaltung eines energiearmen Ausgangsmaterials wie CO2 oder Wasser. Zum zweiten zeigte er den Schülerinnen und Schülern, an welchen Projekten im Bereich Power-to-X er und sein Team mittels Mikroverfahrenstechnik arbeiten. Und darüber hinaus zog er immer wieder Bilanz, inwiefern die politischen und gesellschaftlichen Ziele, die Entwicklung und die Lage am Markt miteinander übereinstimmen.

Zunächst machte der Experte deutlich, dass man für die Energiewende – wo immer das möglich ist – direkt elektrifizieren solle. Die Effizienz, die Ausbeute, ist dabei viel höher, als wenn mit Hilfe von Strom andere Energieträger und Speicher geschaffen werden. Aber es gebe Bereiche, wie der Flugverkehr, die Schifffahrt oder Teile der Industrie, deren reine Elektrifizierung (noch) nicht möglich ist und die beispielsweise Wasserstoff oder synthetische, klimaneutrale Kraftstoffe benötigen. Auch plädierte Professor Dittmeyer für die Senkung des Verbrauchs, wo immer das möglich ist. Der CO2-Ausstoß müsse auf null reduziert und die Entnahme von CO2 aus der Luft mittels neuartiger Technologien vorbereitet werden.

Was sind die Herausforderungen für die Herstellung eines Marktes für strombasierte Kraftstoffe und Chemieprodukte? Der Bedarf für die kommenden Jahrzehnte ist enorm hoch, sodass es große Strommengen herzustellen gilt, der Kapitalbedarf gewaltig und die Projektstruktur aufgrund der Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit komplex ist. Um flächendeckend und realistisch Geschäftsmodelle für Wasserstoff und synthetische Energieträger anzustoßen, bedürfe es einer viel stärkeren Regulierung durch den Staat – wie beispielsweise eine höhere CO2-Bepreisung und höhere Quoten für die Beimischung von Power-to-X-Produkten, beispielsweise im Flugverkehr. Hinzu kommt die Herausforderung des Netzausbaus. Professor Dittmeyers Fazit: „Die praktische Umsetzung hinkt den Zielbildern noch deutlich hinterher“. Eines der Zielbilder ist die durchaus ambitionierte Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. 

Einen großen Schritt zur Erreichung dieser Ziele machen die Projekte der Gruppe um Professor Dittmeyer am Institut für Mikroverfahrenstechnik. So arbeiten die Wissenschaftler unter anderem mit verdampfungsgekühlten Reaktoren, mit denen Power-to-Liquid-Produkte mit CO2 aus der Luft hergestellt werden, beispielsweise nachhaltige Flugkraftstoffe. Durch die Kühlung mittels Wasserdampf und durch die Möglichkeit der Druckveränderung entsteht ein lastflexibler Betrieb und eine hohe Produktivität bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Aus der Forschergruppe heraus entwickelte sich ein Start-up, das unter anderem eine Pionieranlage für E-Fuels in Frankfurt-Höchst in Betrieb genommen hat. Der Clou an allen Projekten: Es handelt sich um kompakte, modulare, dezentralisierte und hoch produktive Verfahren – platzsparend und an vielen Orten einsetzbar.

So hat die Gruppe um Professor Dittmeyer auch ein Verfahren zur Herstellung von grünem Methanol – aus Biogas und anderen CO2-Punktquellen – entwickelt und arbeitet darüber hinaus gerade am Projekt „H2Mare“.  Die Idee: Off-Shore-Windanlagen liefern eine große Menge Strom, die dann direkt vor Ort auf einer Plattform für die Herstellung von Wasserstoff, E-Fuels, Methanol, LG oder Ammoniak genutzt werden kann. „Im Augenblick arbeiten wir an einer kleinen schwimmenden Plattform vor Helgoland“, erzählt er. Im vergangenen Jahr erhielt seine engagierte Gruppe für ihre Arbeit den renommierten Paul-Pietsch-Preis. Mit der Mikroverfahrenstechnik wird das Team weiter an modularen, dezentralisierten Lösungen zur Steigerung der Produktivität und des Wirkungsgrades von Anlagen arbeiten. Bis zur Etablierung eines Marktes wird der Abschied von den fossilen Brennstoffen zunächst aber viel Geld kosten.

Der engagierte Professor wünscht sich, dass die Gesellschaft diese zusätzlichen Kosten für den Übergang zur Energiewende akzeptiert, denn die Kosten für den Klimawandel seien noch viel höher. Dafür bedürfe es auch einer stärkeren Regulierung. „Der Ausstoß von Treibhausgasen in die Luft muss wie die Erzeugung von „Abfall“ betrachtet werden“, sagt er. „Und wir alle müssen akzeptieren, dass wir für die Vermeidung oder Entsorgung dieses Abfalls zahlen müssen". (mh)

Hier finden Sie die Folien des Vortrags von Professor Dittmeyer. Aus urheberrechtlichen Gründen fehlen die Folien 29-32.